Donnerstag, 11. August 2016

Das neue Konzept Familienarbeitszeit

Im Juli 2016 wurde durch die Ministerin Schwesig ein neues Konzept zur Familienarbeitszeit vorgelegt. Ziel ist der finanzielle Anreiz für berufstätige Eltern, weiterhin in vollzeitnaher Teilzeit zu arbeiten und gleichzeitig die Familienpflichten zu teilen. Ein Anreiz, der sicher weiter gehen könnte, aber ein guter Ansatz ist.

Voraussetzung für das Familiengeld in Höhe von 300 € ist, dass beide Eltern 80 bis 90 % arbeiten und jüngere Kinder (bis acht Jahre) haben. Zugrunde liegt die Erwägung, dass die Familienpflichten zwischen den Partnern gleichmäßiger aufgeteilt werden sollen - um letztendlich auch die Frauenerwerbsquote wenn vielleicht nicht unbedingt zu erhöhen, so doch zu stabilisieren - und zwar oberhalb eines Geringverdienereinkommens.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Bestrebungen, vor allem zahlungsäumige Väter mit Entzug des Führerscheins zu sanktionieren (eine gute Zusammenfassung dazu hat Christian Schmidt geschrieben) ist es beruhigend, dass man im Zusammenhang mit dem Familiengeld auf positive Bestärkung legt: Bei getrennt lebenden Partnern wird dann das Familiengeld geteilt.

Kinder sind teuer, ein finanzieler Anreiz ist daher nie verkehrt. Die Entwicklung hin zur Aufteilung der Familienpflichten und der beruflichen Pflichten ist absolut der richtige Schritt. Eine Begrenzung für kleinere Kinder ausgerechnet bis acht Jahren erscheint willkürlich und der Grund erschließt sich nicht. Weder ist die Grundschule abgeschlossen noch könnte man in dem Alter von einer erstarkten Selbständigkeit sprechen. Auch danach - und ich möchte explizit das Teenageralter einschileßen - ist die zeitliche Aufmerksamkeit der Eltern notwendig, während das Familieneinkommen für Handyverträge, Fashionexperimente und Gamescom-Karten absolut nicht weniger werden darf. Also bleibt die selbst zusammengereimte Erklärung, dass es irgendwie auch gegenfinanziert werden muss und das große Paket noch nicht drin (oder noch nicht gewollt) ist. Nichts, was man bei Erfolg nicht ändern könnte.

Die 300 € sind gerade für Familien mit geringem Einkommen sehr hilfreich. Man kann natürlich bemängeln, dass Besserverdiendende etwas bekommen, was sie nicht brauchen. Die durch die Bürokratie generierten Kosten, um das zu differenzieren, stehen m.E. aber nicht im Verhältnis zu eine rmöglichen Ersparnis. Die Beispielsberechnungen zeigen neben der Tatsache, dass das Familiengeld finanzielle Nachteile abmildert aber doch noch einmal ganz konkret, wie viel schlechter man als Familie gegenüber kinderlosen Paaren dasteht. Meines Erachtens ein Umstand, der vor dem Hintergrund des großen Achselzuckens bezüglich der Finanzierung von Renten und Pflege ab Generation Babyboomer auch gern endlich einmal in Angriff genommen werden könnte.

Entscheidend für das Gelingen des Modells ist allerdings, wie sehr auch Arbeitgeber bereit sind, vollzeitnahe Teilzeit ihrer Mitarbeterinnen und Mitarbeiter zuzulassen.  Dabei geht es gerade nicht darum, bei gleicher Arbeit weniger zu bezahlen und Überstundenkonten zu befüllen, sondern ein gewisses Maß an Flexibilität zuzulassen. Es muss möglich sein, den Anforderungen der Familie in der frei gewordenen Zeit nachkommen zu können - vielleicht sogar mal mitten am Tag. Dies ist ein schwieriges Thema. Viele Betriebe stellen sich der Herausforderung. Gerade auch die Digitalisierung bietet z.B. mit der Flexibilisierung des Arbeitsortes gutes Möglichkeiten, das Ziel der Vereinbarkeit voran zu bringen. Ohne eine Anpassung der Vorgaben und Pflichten der Arbeitsgesetzte, die in diesem Zusammenhang auch mal mehr Korsett als Schutz sein können, wird es keine gravierenden Veränderungen geben können. Hier ist Unterstützung und ein Voranbringen der Diskussion gefragt.

Ein Anfang ist auch mit diesem Konzept gemacht. Bleibt abzuwarten, wie es wirkt und ob der Arbeitsmarkt es trägt.


Mittwoch, 10. August 2016

Bereuende Eltern: Befreiung oder Egoismus?

Kinder sind nicht unbedingt gewollt. Der Lärm stört Leute, also sucht man sich "ruhige" Wohngegenden, Häuser, in denen nicht Familien direkte Nachbarn sind (oder noch schlimmer: über einem wohnen). Man macht Urlaub in Hotels, in denen Kinder nicht erlaubt sind. All dies ist in den letzten Jahren schleichend salonfähig geworden, kaum einer regt sich darüber noch auf.

Jetzt hat die öffentliche Diskussion eine neue Stufe erklommen: Den Anfang machte die "Regretting Motherhood"-Bewegung - nun las ich über eine Studie in Deutschland,  deren Inhalt die Frage ist, ob Eltern ihre Elternschaft bereuen. Ergebnis: 20 % der Befragten gaben an, die Elternschaft zu bereuen - etwa die Hälfte davon waren ungewollt Eltern geworden. ABER 95 % aller Befragten würden ihre Kinder lieben. 

Meine erste Reaktion war Ungläubigkeit, inzwischen empfinde ich tiefes Unverständnis - und das ist noch eines der positiveren Gefühle.

Nachdem so viel über Reue geredet wird - was genau bedeutet das eigentlich? Wikipedia sagt folgendes dazu:

"Reue ist das Gefühl – in besonderen Fällen ein Affekt – der Unzufriedenheit, der Abscheu, des Schmerzes und Bedauerns über das eigene fehlerhafte Tun und Lassen, verbunden mit dem Bewusstsein (oder der Empfindung) von dessen Unwert und Unrecht sowie mit dem Willensvorsatz zur eventuellen Genugtuung und Besserung."

Das ist es also, was die 20 % empfinden, wenn sie an die Geburt und das "Da-Sein" ihrer Kinder denken. Im besten Fall Bedauern darüber, im Schlimmsten Abscheu und Schmerz. Bezogen auf ein "fehlerhaftes Tun und Lassen" - also das Kind bekommen zu haben oder es nicht gleich von vornherein verhindert bzw. nicht abgetrieben zu haben. 

Gleichzeitig wird als positives Fazit der Studie hervorgehoben, dass 95 % der Befragten aber ihre Kinder lieben. Mal die Tatsache, dass ich 5 % Nicht-liebender-Eltern immer noch sehr viel finde und mir die Kinder wahnsinnig leid tun - was soll das heißen??? 

Da ich verwirrt bin, nehme ich auch hier mal Wikipedia zur Hilfe:

"Liebe ist im Allgemeinen die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung und Wertschätzung, die ein Mensch einem anderen entgegenzubringen in der Lage ist. Das Gefühl der Liebe kann unabhängig davon entstehen, ob es erwidert wird oder nicht."

"Liebes Kind, ich habe dich gewollt, mich auf dich gefreut - letztendlich war das nicht die Klügste aller Entscheidungen. No offense - zwar bedaure ich, dich bekommen zu haben und würde in derselben Situation verhüten bzw. dich abtreiben, hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß und obwohl ich jetzt schon dein Leben lang mit dir verbracht habe. ABER ich bringe dir die stärkste Zuneigung und Wertschätzung entgegen, zu der ich in der Lage bin." So könnte ein Geständnis an ein Kind solcher bereuenden Eltern aussehen.

Leider bin ich nicht in der Lage, dieses Konstrukt zu verstehen. Wie kann man jemanden lieben und gleichzeitig wünschen, diese Person gäbe es nicht? Ich halte das für unmöglich. 

Dabei möchte ich klarstellen, dass es mir nich um die Verteidigung der per se vorhandenen, übergroßen und unbegrenzten Elternliebe geht - mir ist vollkommen klar, dass es diese nicht gibt, so wünschenswert diese auch sei. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die aus ihrer Situation heraus aus bestimmten Gründen mit ihrer Elternschaft hadern, sich überfordert fühlen und gar allein gelassen fühlen. Und jedem dieser Menschen sollte geholfen werden. 

Was mich in Aufruhr bringt ist die Art und Weise der Diskussion sowie der Raum, der dieser eingeräumt wird. Kinder kommen nicht aufgrund ihrer eigenen Entscheidung auf die Welt, das sind wir Eltern, die das entscheiden und umsetzen müssen. Unsere Aufgabe ist es, diese Kinder so gut wie möglich großzuziehen, ihnen das Beste mitzugeben, was wir können. Sie verdienen unsere bedingungslose Liebe und Unterstützung. Die größtmögliche Zuneigung und Wertschätzung, zu der wir in der Lage sind - denn sie können sich nicht einfach andere Eltern aussuchen. Sie haben ein Recht auf Begleitung und Anleitung für eigenständiges Leben - denn meistens nach nur 20 Jahren verlassen Sie uns schon wieder.  - bei der heutigen Lebenserwartung gerade mal 1/4 unseres Lebens. Und ob sie uns lieben und respektieren als Eltern hängt entscheidend davon ab, was wir Ihnen beigebracht haben und was wir ihnen vorgelebt haben. 

Stell dir vor, deine Eltern sagen dir einen Satz, wie ich ihn oben einmal exemplarisch aufgeschrieben habe. Wie fühlst du dich dabei? Hilft dir diese Ehrlichkeit irgendwie weiter in deinem Leben? Macht es dich stark? Bist du klüger? Verbessert sich dein Verhältnis zu deinen Eltern, nachdem sie dir das gesagt haben?

Ich glaube nicht. Ich glaube, wer immer diese Diskussion nach außen trägt und seine Kinder damit konfrontiert - denn nichts anderes tut man damit, wenn man sich dazu bekennt - liebt eben nicht seine Kinder am meisten, sondern sich selbst. Sich über seine Gefühle klar zu werden und mit negativen Einflüssen oder Entscheidungen umzugehen, nennt man schlicht Leben. Und jeder soll sich die Hilfe dabei hole, die er braucht. Würde mir ein Freund oder eine Freundin von solchen Gefühlen berichten, würde ich ihnen dringend raten, ich damit auseinanderzusetzen und sich professionelle Hilfe dafür zu holen - um ihrer selbst und der Kinder Willen. Aber ein bloßes öffentlich machen hilft niemandem.
Was soll also diese öffentliche Debatte darum, ob jemand seine Elternschaft bereut? Sie soll Verständnis generieren und damit dafür sorgen, dass sich diejenigen, die so empfinden, nicht so allein, so anders fühlen. Sie machen die Diskussion also öffentlich, damit sie sich besser fühlen.  Dabei gibt es nur einen kleinen Kreis, der diese Gefühle verzeihnen und verstehen kann und muss: die betroffenen Kinder.  Ansonsten führt die öffentliche Diskussion nur dazu, dass ich eine Menge Kinder schlecht fühlen, vielleicht ein paar Eltern besser. 

Kann es das sein? Ich glaube nicht, dass Elterschaft unbedingt beinhaltet, mit dieser Rolle im Reinen zu sein - und sei es auf Kosten der Kinder selbst. Daher verärgert mich diese öffentliche Diskussion maßlos. Und schlimmer finde ich, dass ihr Raum gewährt wird. Und nicht wenige werden aufspringen und Gefühle an sich entdecken, die einer Reue gleich kommen. Und weil man das jetzt so macht, ist man uneingeschränkt ehrlich - auch zu seinen Kindern. Dann geht es einem ja besser und nur ausgeglichene Eltern können gute Eltern sein. Aha.

Es ist politisch total unkorrekt, aber trotzdem rufe ich allen zu, die ihre Elternschaft öffentlich bereuen, zu: Reißt euch gefälligst mal zusammen! Ihr habt jetzt Verantwortung übernommen. Wenn Sie Euch zu viel wird, holt euch Hilfe. Ansonsten nehmt die Situation und die Rolle als Mutter/Vater an und haltet euch an die positiven Seiten. Ihr habt ein Geschenk bekommen. Euer Jammern ist ein Schlag ins Gesicht der Kinder und all jener, die gern Kinder hätten aber es nicht können und derjenigen, die hinter euch aufräumen müssen, weil eure Kinder euer Bedauern nicht verwinden und Schaden nehmen!

Hat man endlich in der Gesellschaft akzeptiert, dass auch noch so ein kleiner "Klaps auf den Hintern" Gewalt gegen die Kinder und damit falsch ist, dass es Schaden an der Kinderseele anrichtet - so scheint nun eine Akzeptanz bezüglich psychischer Grausamkeit zu entstehen, unterstützt man diese Art der Diskussion um die Eltern, an der die Kinder einfach nicht vorbei kommen.

Meine Eltern haben erzählt, dass es nicht immer leicht war,  uns Kinder zu haben. Und wie es vielleicht einfacher gegangen wäre mit Kindergartenplätzen und Anerkennung der Gesellschaft. Und man manchmal einfach auch überlastet ist. Aber sie haben nie einen Zweifel darüber aufkommen lassen, wie sehr sie jeden meiner Geschwister und mich gewollt und geliebt haben. Wie dankbar sie für das Leben mit uns waren und nun dafür, dass wir immer noch ein Teil von ihnen sind und wir füreinander da sind. Dieses Urvertrauen zu zerstören, weil die Reue über die Geburt geäußert wird, ist grausam. Ich vermute, dass es meine Identität infrage stellen würde, müsste ich so etwas erfahren.  Meine Mutter hat immer zu mir gesagt:"Es gibt Dinge, die tut man einfach nicht." Elternschaft zu bereuen und es öffentlich zu diskutieren gehört für mich dazu. 

Dienstag, 11. November 2014

Ergebnisse der Blogparade "Familienfreundlicher Arbeitgeber" als E-Book zusammengefasst

Alex Kahl hatte als freier Mitarbeiter von comspace in Bielefeld eine Blogparade zur Frage "Was macht einen familienfreundlichen Arbeitgeber aus" gestartet. Jetzt hat er die Ergebnisse zusammengefasst und in einer PDF-Version zur Verfügung gestellt.

Nicht zuletzt durch die "egg-freezing" Meldungen ist das Thema Familienfreundlichkeit sowohl in aller Munde als auch in den Medien omnipräsent. Man könnte meinen, dass es dazu eigentlich nicht  mehr viel dazu zu sagen gäbe - wird doch so viel darüber gesprochen, geschrieben, erforscht.

Zum einen hat die Blogparade gezeigt, dass es aber trotzdem noch viel Potential zu geben scheint. Die auf 65 Seiten sehr gut zu lesenden Kombination aus verschiedenen Sichtweisen mit vielfältigen Schwerpunkten und sind mit den persönlichen Erfahrungen sehr authentisch. Besonders beeindruckt haben mich aber auch die vielen Vorschläge und die damit einhergehende positive Haltung, sich selbst auch für Veränderungen verantwortlich zu fühlen.

Sehr lesens- und empfehlenswert!



Mittwoch, 15. Oktober 2014

Eingefrorene Eier in Silicon Valley: Warum (nicht)?

Unglaubliche Bewegung im Thema Familienfreundliche Unternehmen: Die Nachricht, Apple und Facebook würden (bzw. werden) ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren von Eizellen bezahlen, hat die Nachrichtendienste heiß und die Gemüter hochlaufen lassen. Im Kern spaltet die Welt die Frage, ob es sich um moralisch verwerfliche Maßnahmen handelt, die eher das Gegenteil von Familienfreundlichkeit bewirken oder handelt es sich um einen beispielhaften Vorstoß zweier amerikanischer Unternehmen? Wie auch immer: Das Thema ist so spannend wie seit Jahren nicht mehr.

Bei dem Thema Familienfreundlichkeit in Unternehmen geht es hierzulande eher beschaulich zu.
Und nun kommen zwei Unternehmen aus den USA, die Unglaubliches tun bzw. zu tun planen: Es soll den Mitarbeiterinnen bzw. den Frauen der Mitarbeiter das Einfrieren der Eizellen bezahlt werden. Während wir in Deutschland über steuerfreie Kinderbetreuungszuschüsse und Eltern-Kind-Zimmer diskutieren, redet man in den USA über eine tiefgreifende - finanzielle - Beteiligung des Arbeitgebers bei der Familiengründung.

Kinderlosigkeit - auch ein deutsches Problem?
Natürlich hat sich die Presse gleich die schönste Maßnahme herausgesucht, die am meisten Aufregung verspricht. In vielen Artikeln wird gleich darauf hingewiesen: Die Diskussion zu solchen Maßnahmen hat in den USA eine andere Historie und ist mir deutschen Diskussionen nicht vergleichbar. Die Grundproblematik ist aber die gleiche: Immer mehr Frauen bekommen später oder auch nie Kinder.

Destatis hat für 2012 dazu in dem Bericht "Geburtentrends und Familiensituation in Deutschland" für 2012 einige Zahlen aufbereitet. Wichtig finde ich die Erwähung, dass überhaupt erst 2008 bei der  Mikrozensus-Befragung ausführliche Daten zur Kinderlosigkeit  in Deutschland gewonnen werden konnten.

Für 2012 lag die Kinderlosenquote (auch ein neuer Begriff) in Deutschland bei 22 % und damit beinahe doppelt so hoch wie 1990. Bei Akademikerinnen lag die Quote sogar bei 28 %. Erwartet wird, dass die Quote weiter ansteigt.  Darüber hinaus hat Allensbach in einer Umfrage 2007 ermittelt, dass 36 % der 25 bis 59 Jährigen einen unerfüllten Kinderwunsch haben (der Kinderwunsch bezieht sich sowohl auf erste als auch auf weitere Kinder). 8 % in der gleichen Altergruppe haben sich bewusst gegen ein Kind entschieden.

Reproduktionsmedizin und Arbeitgeber
Ohne dass es eine Neuigkeit wäre, sollte aber darauf hingewiesen werden: Auch in Deutschland ist Kinderlosigkeit ein großes Thema. Und klar ist auch: Die Lebensumstände spielen bei der Frage, ob und wann man Kinder möchte eine sehr große Rolle. Lang andauernde Ausbildungen, Reihenweise Praktika, bis man einen ersten Job bekommt, in dem man sich beweisen will. In der "Rush-hour des Lebens" schiebt man eben das erst einmal auf, was gerade nicht existienziell ist: Das Kinderkriegen. Unerfüllte Kinderwünsche stellen Familien oft vor große psychische und finanzielle Belastungen. Nicht selten scheitert der Wunsch nach Kindern gerade an den Finanzen, denn z.B. künstliche Befruchtungen werden i.d.R. nur für drei Versuche zu 50 % von Krankenkassen übernommen und kosten ab ca. 2.000 €.

Auch vor diesem Hintergrund sind die Maßnhamen zu sehen, über die diskutiert wird. Und vor allem: Es geht um noch viel mehr. Bezahlte Elternzeit, ein Elterngeld und weitere Unterstützungsleistungen, die der ganzen Familie zugute kommen.

Das alles tun die beiden Firmen nicht einfach nur so. Sie haben sich damit befasst, was ihre Mitarbeiter wünschen und brauchen und gleichzeitig sicherstellt, dass diese an ihren Arbeitgeber gebunden werden. Weil man dort nicht nur gute Arbeitsergebnisse erwartet, sondern auch auf ihre Bedürfnisse eingeht. Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, wie sehr es seinen Mitarbeitern entgegenkommen will - und in welcher Weise. Bei einigen muss ein wenig Flexibilisierung der Arbeitszeit reichen und ansonsten soll bitte Privates auch privat bleiben. Andere hingegen nehmen ihre Mitarbeiter als "Gesamtpaket" und verstehen: Sie sind Menschen in verschiedenen Lebensphasen mit guten und schlechten Phasen, Höhen und Tiefen in ihrem Leben -und ihrer Leistungsfähigkeit. Und damit sie ihr Bestes geben können, versucht man, in den schlechten Phasen und Tiefen zu unterstüzten.

Dies geht bei einigen Unternehmen auch so weit, dass man Schuldnerberatungen, psychische Unterstützung oder auch weitergehende medizinische Unterstützung gewährt. Die konkreten Maßnahmen kenne ich bisher zwar nur in eher konservativen Zusammenhängen, also z.B. der Rehabilitation nach Erkrankungen. Aber den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt.

Sollten nun Arbeitgeber ihren Mitarbeitern das Einfrieren von Eiern bezahlen? Ich finde, das muss jeder Arbeitgeber selbst entscheiden. Auch, ob man das als Arbeitnehmer überhaupt in Anspruch nehmen wollte. Aber die Vorstellung, dass es Arbeitgeber gibt, die sich solch tiefgreifender persönlichen Probleme annehmen und den Arbeitnehmer ermutigen, damit zu ihnen zu kommen, finde ich übertragbar.


Dienstag, 8. Juli 2014

Familienfreundlichkeit in Unternehmen durch viele Maßnahmen?

Der Demografische Wandel und der - zum Teil - daraus resultierende Fachkräftemangel sind nach wie vor aktuelle Themen, die einerseits durch alle Medien geistern und andererseits vor allem natürlich auch Unternehmen umtreiben. Gerade familienfreundliche Arbeitsbedingungen haben sich als gute Möglichkeit entwickelt, in dem Konkurrenzkampf um die besten Mitarbeiter zu punkten. Dabei ist es aber nicht die Menge der familienfreundlichen Maßnahmen, die den guten Arbeitgeber ausmacht, sonder eher eine Kultur des Gebens und Nehmens auf beiden Seiten.

Bislang habe ich das Blog-Schreiben weder besonders häufig noch intensiv betrieben. Jetzt wurde ich die tolle Idee einer Blogparade zu dem Thema "Familienfreundliche Arbeitgeber", initiiert von Alex Kahl aufmerksam. Angestoßen wurde die Blogparade durch Erfahrungen und offene Fragen bei .comspace in Bielefeld.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen beschäftigen mich schon einige Jahre - sowohl privat als auch beruflich. Also nehme ich doch diese Gelegenheit sehr gern wahr, meine Sicht auf das Thema darzustellen und einige der aufgeworfenen Fragen - hoffentlich - zu beantworten.


Familienfreundlichkeit - ein relativ neues Thema für Unternehmen
Die Frage der Familienfreundlichkeit - also wie man sich gleichzeitig um seine Kinder kümmern und berufstätig sein kann - ist eigentlich schon immer ein Thema gewesen. Aber erst seit ca. 15 Jahren nimmt es immer mehr an Fahrt auf. Woran liegt das? Die Folgen des demographischen Wandels - vor allem also die stetig sinkende Zahl an Arbeitnehmern - ist schon lange bekannt, scheint aber erst seit dieser Zeit langsam ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. Der z.T. daraus resultierende Fachkräftemangel wird nun akut - auch in kleinen Betrieben auf dem Land gelangt man langsam zu der Erkenntnis, dass man zur Besetzung einer Arbeitsstelle nicht mehr ausschreibt, über 100 bester, infrage kommender Bewerbungen erhält und nur noch auszuwählen braucht. Im Gegenteil. Also fängt man als vorausschauender Arbeitgeber an, alle im Betrieb zu halten, die bereits da sind. Personalwechsel sind bekanntlich sehr teuer, es muss immer von ca. einem halben Jahr Einarbeitungszeit ausgegangen werden - und alles vorhandene Wissen ist häufig unwiderbringlich verloren.

Also fing man an zu entdecken, dass viele Frauen aufgrund ihrer Familienpflichten eben nicht arbeiten - und "ungenutztes Potential" zu Hause sitzt und Windeln wechselt. Folglich stellte sich die Lösung so dar, dass man die Arbeitsbedingungen nur ein wenig daran anzupassen braucht und schon hat man die fehlenden Arbeitskräfte.

Dies stellt die Hintergründe natürlich sowohl verkürzt als auch übertrieben dar. Gleichwohl ist dies der Kern, warum dieses Thema überhaupt zu einem geworden ist. Dementsprechend begannen zum Beispiels auch mit den Betriebskitas oder Arbeitszeitkampagnen Förderprogramme zu sprießen, Öffnungszeiten wurden diskutiert, das Recht auf Betreuungsplätze eingeführt - und nicht eingelöst -, Eltern-Kind-Zimmer und Notfallbetreuung angeboten.

Was ist mit Familienfreundlichkeit gemeint?
Wenn man über Familienfreundlichkeit redet, kommen einem die Aspekte Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten zuerst in den Sinn. Allein die Betrachtung der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf ist zu kurz gesprungen. Vielmehr muss es um mitarbeiterorientierte Arbeitsbedingungen insgesamt gehen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, ALLE ihre persönlichen Verpflichtungen mit den betrieblichen in Einklang zu bringen. Dazu gehört vor allem auch die Pflege von Angehörigen - es ist noch nicht einmal ansatzweise klar, wie sehr dieses Thema den Arbeitsmarkt beeinflussen wird, wenn die Babyboomer ist das Alter kommen, in dem sie gepflegt werden müssen. Die Pflegeproblematik ist immer noch ein sehr schwieriges Feld: Die Anforderungen sind vielfältig und gehen von gelegentlichen Unterstützungen (z.B. Einkäufe, Arztbesuche, den Rasen mähen) bis hin zu zu richtiger Krankenpflege. Außerdem kann sich Pflege über viele Jahre hinziehen - keiner kann sagen, wie lange die Zeit dauert und welches Ausmaß diese einnimmt. Und anders als bei der Kinderbetreuung hat ein Arbeitgeber deutlich weniger Unterstützungsmöglichkeiten. Gleichzeitig können die Auswirkungen von längerer Pflegetätigkeit sehr gravierend sein - bis hin zur Arbeitsunfähigkeit des Pflegenden.

Diese - aber auch für weniger gravierende Fälle - in einem Fall gab es sogar "Erziehungsurlaub" für einen frisch in die Familie gekommenen Welpen - sollte es den Versuch der Vereinbarung geben.

Erfolgsfaktoren aus meiner Sicht
Aber es ist eben nicht mit ein paar Maßnahmen getan. Vielmehr sehe ich folgende Erfolgsfaktoren:

1. Es muss eine mitarbeiterorientierte Führungs- und Unternehmenskultur geben.

Um es gleich klarzustellen: Mitarbeiterorientierung und insbesondere Familienfreundlichkeit ist kein Selbstzweck. Ein Betrieb hat ein Unternehmensziel und möchte erfolgreich arbeiten. Dies kann es aber nur, wenn seine Mitarbeiter besonders motiviert und leistungsfähig sind. Je eher Mitarbeiter in der Lage sind, die privaten und beruflichen Verpflichtungen vereinbaren zu können, desto eher sind sie in der Lage, in beiden Bereichen ihr Bestes zu geben: also gute Eltern (Pflegende) und Mitarbeiter zu sein. Dies kann aber nur in einer Kultur des gegenseitigen Gebens und Nehmens entstehen. Und hier ist insbesondere die Führung gefragt. Gemeint ist damit natürlich die oberste Spitze, die eine solche Kultur mitträgt.

Aber noch wichtiger sind die mittleren Führungsebenen, die Teams koordinieren und die direkten Absprachen treffen. Sie müssen offen sein dafür, mit ihren Mitarbeitern Lösungen zu finden, wenn die Vereinbarung der Bereiche nicht funktioniert. Dafür muss der Mitarbeiter aber auch wissen, dass seine Leitung offen für das Thema ist. Und dies geht am besten, wenn man Vorbild ist und aus Überzeugung ein gutes Arbeitsklima mit vertrauensvoller Zusammenarbeit schaffen möchte. Grundlage sollten die Rahmenbedingungen sein, die der Betrieb vorgibt: In einem Krankenhaus über Schichten zu diskutieren ist genauso überflüssig wie in einer Fleischerei über Homeoffice. Aber man sollte immer alle Möglichkeiten im Blick behalten und lösungsorientiert und vertrauensvoll agieren.

2. Eine offene und gegenseitige Kommunikation ist essentiell.

Ich habe eigentlich noch keinen Betrieb erlebt, der in diesem Bereich nicht noch etwas tun könnte. Viele Unternehmen haben beeindruckende Listen an Maßnahmen. Fragt man nach, kennen die Mitarbeiter diese oftmals kaum. Allerdings wissen auch die Verantwortlichen nicht wirklich, was ihre Mitarbeiter eigentlich brauchen. Dazu passt das eingangs genannte Beispiel zu den ergebnislosen Umfragen. Fragt man nach Betreuung für Kinder unter 3 Jahren, haben die betroffenen Eltern die Frage in dem Moment ja schon gelöst - sonst könnten sie nicht arbeiten. Also kommt meistens nicht so viel dabei heraus - außer eine große Erwartungshaltung, dass nun etwas passiert. Da die Resonanz aber so gering ist, passiert - eben nichts. Bzw. nicht das Erwartete, denn nach den Maßnahmen, die man bräuchte, wurde nicht gefragt. Also hat man es auch nicht gesagt. Miteinander regelmäßig sprechen - sowohl geplant in Mitarbeitergesprächen also auch mal der kleine Plausch in der Teeküche - können eine unendlich erhellende Wirkung haben und viel Frust und Geld sparen. Bedarfsgerecht Lösungen zu entwickeln - klingt sehr einfach und ist es dann meistens doch nicht.

3. Reichweite vor Aufwand - Beispiel Eltern-Kind-Zimmer

Aus meiner Sicht muss nicht jede aufwändige Maßnahme auch gleich gut sein - vor allem, wenn sie nur wenige Leute erreicht. Hier möchte ich auf meine Beispiele Eltern-Kind-Zimmer und Notfallbetreuung zurück kommen: Eltern-Kind-Zimmer können helfen, tun es aber meistens nicht wirklich. Sie sind teuer und werden kaum genutzt, machen sich aber super auf Fotos und in Broschüren. Sind die Kinder krank, kann man sie nicht mit in den Betrieb nehmen. Sind sie gesund, langweilen sie sich meistens schnell und setzt die Eltern unter Druck, denn sie können sich weder ihren Kindern noch der Arbeit wirklich widmen. Im Einzelfall kann ein Laptop die Lösung sein mit entsprechenden sicheren Zugängen, der dann mit nach Hause genommen werden kann. Da teilt man es sich dann selbst ein, wenn es etwas ruhiger ist. Oder man akzeptiert als Arbeitgeber einfach, dass man gerade im Falle von Krankheiten der Kinder nicht arbeiten kann. Meistens hilft die Erinnerung an die eigene Kindheit, um hier Verständnis aufzubringen. Notfallbetreuungen sollen da Abhilfe schaffen. Jeder, der kranke Kinder zu Hause hatte, weiß, dass außer Mama und Papa  - im besten Fall noch Oma und Opa - in diesen Fällen keine Option ist. Und man sollte nicht die Erwartungen haben, dass sich Kinder an die theoretische Wirksamkeit von Maßnahmen halten.

Wichtig ist außerdem, dass diese Maßnamen auch nicht nur kleinen Gruppen von Mitarbeitern offen stehen. Also finanzierte Betreuung für die Führungsebene, während der "gemeine" Mitarbeiter selbst helfen soll, sind ein "NO GO". Schneller kann man die Stimmung im Betrieb nicht kaputt machen. In diesem Sinne sollten auch diejenigen berücksichtigt werden, die keine so drängenden privaten Verpflichtungen haben. Auch sie haben ihr Privatleben und möchten, dass darauf Rücksicht genommen wird. Man kann nicht immer erwarten, dass ein Teil der Belegschaft immer nur Rücksicht nimmt.

4. Eigenverantwortung der Mitarbeiter

Last but not least ein Faktor, der m.E. mit der wichtigste ist: Die Mitarbeiter wissen selbst am besten, wo ihre Schwierigkeiten in der Vereinbarung ihrer verschiedenen Verpflichtungen liegen. Der Arbeitgeber kann sehr viel dafür tun, um die Mitarbeiter zu unterstützen. Aber er kann es viel besser und auch erfolgreicher, wenn der Betroffene sich ebenfalls überlegt, wie eine Lösung aussehen könnte. Sich einfach zurückzulehnen und darauf zu warten, dass der Arbeitgeber das regelt, ist in den seltensten Fällen eine gute Idee. Wenn man zu dem Chef geht und sein Problem schildert und sogleich Lösungsansätze präsentiert, wird eine ablehnende Haltung sehr schwierig. Das funktioniert natürlich am besten, wenn Faktoren 1 + 2 gelebte Kultur sind. Aber das ist ja leider nicht immer der Fall. Wer aber nach dem Motto agiert "seines Glückes Schmied" zu sein, wird jedenfalls keine Nachteile haben.

Familienfreundlichkeit braucht Menschen, keine Checklisten
Auch ich habe keine Checkliste, deren Abarbeitung Familienfreundlichkeit in einem Unternehmen sichert. Diese Aufzählung an Erfolgsfaktoren sieht vielleicht auf den ersten Blick sehr allgemein und wie aus dem "Wünsch-Dir-Was-Land" entsprungen aus. Tatsächlich tun aber Betriebe genau das, wenn sie erfolgreich familienfreundlich sind. Familienfreundlichkeit ist nicht die Summe vieler Maßnahmen. Es ist eine Haltung, eine Lebens- und Arbeitseinstellung. Und es gibt - zu meiner großen Freude - doch sehr viel mehr solcher Arbeitgeber als man denkt!

Montag, 12. Mai 2014

Ist Digitalisierung in Betrieben Führungsaufgabe?

Immer wieder wird die Wirtschaft darauf hingewiesen, vor welch großen Herausforderungen sie steht. Betriebe jeder Größenordnung müssen mit Megatrends wie Globalisierung, Demographischem Wandel und der Technisierung umgehen. Das Erkennen der mit diesen Trends einhergehenden Änderungs- bzw. Entwicklungsbedarfe und insbesondere deren Umsetzung ist für viele Betriebe neben dem Tagesschäft schwierig. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die entsprechend ihrer Größe keine Stabsabteilungen haben und diese Themen aufbereiten.
Ich habe mich gefragt, ob und wie Betriebe mit dem Thema Digitalisierung umgehen. Dass die Digitalisierung auch die Wirtschaft erreicht hat, wird doch von Politik und Spitzenverbänden immer erklärt.

Was aber genau heißt das für die Betriebe? In der Hauptsache beschäftige ich mich mit Arbeitsbedingungen in Betrieben. Die Digitalisierung hat bislang aber in diesem Zusammenhang immer nur eine marginale Rolle gespielt. Wie also ist der Status quo und was sollten Arbeitgeber tun?

Um zur ersten Frage einen ersten Eindruck zu bekommen, habe ich mich ein wenig umgesehen und bin vor allem auf zwei Studien gestoßen: Zum einen habe ich mir die Studie "Digitalisierung im Mittelstand" von Deloitte angesehen, die 2013 veröffentlicht worden ist. Darin wurden die Ergebnisse von Befragungen und Interviews mit 41 mittelständischen Betrieben zum Thema Digitalisierung zusammengefasst. In dieser wie ich finde sehr gut lesbaren Studie erhält man einen guten Eindruck davon, wo mittelständische Unternehmen stehen - wobei jedoch zu beachten ist, dass in diesem Zusammenhang die befragten mittelständischen Unternehmen um die 2.000 Mitarbeiter beschäftigen, während nach der EU-Defintion bereits ab 250 Mitarbeitern nicht mehr von Mittelstand gesprochen werden kann.

Zum anderen habe ich mir den "Monitoring-Report  Digitale Wirtschaft" des BMWI vom Dezember 2013 angesehen (diese gibt es in einer Kurzzusammenfassung sowie einer  Langversion auf der Seite des BMWI). Das Monitoring beschäftigt sich allerdings eher am Rande mit dem Grad der Digitalisierung deutscher Betriebe. Das Grußwort kommt von der Parlamentarischen Staatssekretärin des BMWI Brigitte Zypries, die auch im Rahmen der Re Publica 2014 letzte Woche im Rahmen einer Session insbesondere die Standpunkte des BMWI zum Thema Netzneutralität und TTIP erläutert hat.

Ist das Thema Digitalisierung in deutschen Betrieben angekommen?
Dies war die erste Frage, die ich mir gestellt habe. Dazu äußert sich das Monitoring des BMWI erfrischend offen: Vergleicht man die besten 15 Länder, wird von Deutschland lediglich Platz 8 (der als "schwach" bezeichnet wird) von Deutschland belegt. Dies bezieht sich auf die Nutzung der neuen Technologien In der Befragung von Deloitte zeigt sich ein ähnliches Bild. Zwar sei man sich der Wichtigkeit des Themas bewusst, jedoch müsse davon ausgegangen werden, dass nicht alle Funktionalitäten der neuen Techniken überhaupt  ausgeschöpft würden. M.E. könnte es daran liegen, dass man in den Betrieben nicht um alle Möglichkeiten weiß, die durch die neuen Technologien geboten werden. Man muss auch davon ausgehen, dass bei der Befragung zu einem bestimmten Thema die Aufmerksamkeit derart darauf gelenkt wird, dass man es als wichtiger einstuft, als es in dem betrieblichen Alltag praktiziert wird.

Insofern ist davon auszugehen, dass es noch deutlich "ungehobenes Potential" gibt.

Umgang mit dem Thema Digitalisierung in den Unternehmen
Wenn auch der Nutzungsgrad durch Betriebe höher und intensiver sein könnte, hat sich mir die Frage gestellt, wie denn die bereits "Aktiven" damit zumgehen.

Zu diesem Thema lässt sich vor allem Deloitte ausführlicher aus. Es wird festgestellt, dass oftmals Strategien fehlten, um das Thema nachhaltig im Unternehmen zu verankern. Dazu wird dann gleich festgestellt, Digitalisierung müsse strategisch angegangen werden und dürfe auch nicht bottom up oder durch IT-Abteilungen aufgebracht und bearbeitet werden, es müssten die Führungsebenen das Thema vorantreiben.

Wieviel Strategie ist möglich?
Leider ist dies im laufenden Tagesgeschäft mit steigenden Anforderungen an die Flexibilität eines sich ständig veränderten Marktes und gerade bei mittelständischen Unternehmen (nach EU-Definition) eine große Herausforderung. Dies gilt insbesondere, wenn Personen fehlen, die sich um Quertschnittsaufgaben kümmern. In diesen Fällen sind meistens nur kleine Schritte möglich. Und die Betriebe sind darauf angewiesen, dass sich jemand um diese Themen kümmert, der etwas davon versteht. Da man aber gerade bei dem Thema Digialisierung beispielsweise in meinem o.g. Dachdeckereibetrieb die Mitarbeitern nicht nach etwaigen Qualifizierungen im Bereich neue Technologien aussucht, sind die Kompetenzen zumindest nicht offensichtlich vorhanden.

Daher bin ich der Meinung, dass ein strategisches Vorgehen zumindest schwierig ist und bei einem Thema wieder Digitalisierung, in dem man offensichtlich erst sukzessive die Möglichkeiten kennenlernen und ausschöpfen kann, nicht sinnvoll.

Wie könnte ein alternativer Umgang mit dem Thema aussehen?
Und dies bringt mich direkt zu einem der Punkte, bei denen ich anderer Meinung bin als die Herausgeber der Deloitte-Studie: Ich glaube aus den o.g. Gründen eben gerade nicht daran, dass ein strategisches Vorgehen von den Führungsebenen her der richtige Weg ist. Irgendjemand muss bei dem Thema Digitalisierung mit der neuen Technik arbeiten. Wie sich gezeigt hat, werden die Möglichkeiten der neuen Technologien nicht ausgeschöpft - wenn man überhaupt eine Vorstellung des Machbaren hat. Dass ein solches Thema von den Führungsebenen unterstützt und moderierend begleitet werden muss, steht außer Frage.

Allerdings kennen die Mitarbeiter am besten die Abläufe und ggf. Verbesserungsmöglichkeiten - und einige kennen sogar die entsprechenden Technologien, um dies zu erreichen. Warum also nicht die fragen und einbeziehen, die damit arbeiten müssen? Ich denke, dass grundsätzlich ein partizipatives Vorgehen in Betrieben insbesondere bei Innovationen zu den besten Ergebnissen führen. Insofern sollte sicher auch nicht eine Federführung der IT gegeben sein, sondern eine Begleitung. Ob enstprechende Kompetenzen in den von Deloitte befragten Betrieben vorhanden wäre und Ideen zu einer besseren Nutzung der Technologien  hätten, werden wir nicht erfahren. Denn leider hat keiner die Mitarbeiter gefragt. Schade.

Zusätzlicher Aspekt
Beide Studien hatten eher eine Optimierung der Arbeit durch verbesserte Abläufe als Gegenstand. Was meiner Ansicht nach außer Acht gelassen wird ist der Umstand, dass oftmals nicht nur die Abläufe geändert werden, sondern häufig auch die Unternehmenskultur sowie die Struktur des Betriebes betroffen sind. Ein gutes Beispiel dazu ist die Zusammenarbeit auf Plattformen. Sollen beispielsweise Präsentationen oder Texte von einem Team zusammengestellt werden, entsteht ein hoher Grad an Transparenz, wer welche Arbeitsleistung einbringt: Durch Kommentierungen und Diskussionen wird deutlich, wer woran gearbeitet hat. Da ist es möglich, dass zu manchen Themen nicht immer die Chefs diejenigen sind, die am besten Bescheid wissen.

Nach einem modernen Führungsverständnis muss der Chef das auch nicht. Wenn es aber noch eine klassische hierarchische Führungsstrukur gibt, kann der Einsatz von neuen Techniken hier zu einem Paradigmenwechsel führen, auf den manche Betriebe nicht vorbereitet sind. Dies kann nur eine entsprechende Unternehmenskultur auffangen, die einen solchen Wechsel entweder schon hinter sich hat oder bereit ist, die Verbesserung der Arbeitsergebnisse auf Kosten von Status und vermeintliche Überlegenheit aufzufangen. In jedem Fall ist dieser Aspekt nicht zu unterschätzen und sollte proaktiv mit einbezogen werden.


Weitere Aspekte
...gibt es noch einige Fragen, die für Unternehmen in diesem Zusammenhang sehr wichtig sind. Diese werden in dem Monitoring des BMWI z.T. auch angesprochen. Die Lösungen sind jedoch eher Langzeitprojekte und ich möchte auch nur zwei Beispiele nennen:
  • Datensicherheit (dass die NSA jetzt weniger späht, ist mir jedenfalls nicht bekannt - um nur ein Problem zu nennen)
  • "Internet für alle": Netzabdeckung und schnelles Internet: Wer hin und wieder die Bahnstrecke von Hannover nach Berlin bereist, kann sich endlich mal wieder Offline-Aktivitäten widmen: Es ist gar nicht oder nur sehr schlecht ein Netz zu finden und wer keine Geduld hat, sich alle zwei Minuten wieder neu einzuwählen und überhaupt eine geringe Frustrationsgrenze hat, sollte es einfach lassen. Auch mitten im Ruhrgebiet kann man einfach schon mal ohne Netz dastehen. Schön ist auch das Erlebnis, dass nun endlich Glasfaserkabel und "schnelles Internet" im eigenen Stadtteil zur Verfügung steht - dann aber "kein Platz" für einen ist - was auch immer das zu bedeuten hat. Wie so Unternehmen erfolgreich und effizient das Internet nutzen sollen, ist mir ein Rätsel.
Allerdings haben Unternehmen durchaus die Möglichkeit, auf diese für sie existenziellen Themen einzuwirken.  Dazu müssen sie sich aber mit dem Thema Digitalisierung erst einmal auseinandersetzen.

Und an dieser Stelle - so  mein Fazit an dieser Stelle - geht noch was!



Freitag, 2. Mai 2014

Über Plastik zwischen den Zähnen, Alu unterm Arm und Chlor ums Huhn

Eigentlich wollte ich nur kurz einmal auf facebook nachschauen, was es so Neues gibt. Gleich als erste Meldung springt mir ein Hinweis auf eine Seite vom BUND ins Auge, in dem es um Mikroplastik insbesondere in Kosmetika geht.

Zunächst bin ich nur leicht irritiert und vermute, ich bringe was durcheinander. Aber nein, die Meldung, die ich jüngst gelesen hatte, handelte von Aluminium in Deodorants. Ist was grundsätzlich anderes. Dabei kann Brustkrebs ausgelöst werden. Während Mikroplastik nicht filterbar ist, deswegen in die Gewässer gelangt, darüber in die Tiere und letztendlich bei uns auf dem Teller. Da das Plastik Schadstoffe bindet bringt das einige üble Folgen mit sich - jetzt mal unabhängig davon, dass das ganze Zeug auch noch in den Gewässern  bleibt (und die Folgen sind nicht absehbar) und ich mir das Zeug auch noch täglich ins Gesicht schmiere!

Der BUND hat netterweise schon mal eine Liste zusammengesellt, in der diejenigen Artikel stehen, die Mikroplastik enthalten. Fast wünschte ich, den Artikel gar nicht gelesen zu haben: Die Liste ist lang und geht über alle möglichen Kosmentikfirmen und Produkte. Das Zeug ist wirklich überall drin. In Zahnpasta (direkter kann man sich das Zeug kaum mehr antun), Duschgels, Foundation, Lipgloss, Augenmake-Up...furchtbar! Sofort hatte ich einen Kosmetikartikel identifiziert. Eine Foundation von mir stand nicht auf der Liste - aber leider auch keine Inhaltsstoffe auf der kleinen Glasflasche.  Also wie kriege ich raus, was "gut" ist und was mache ich mit dem "bösen" Zeug?

Nach der Aluminiummeldung hat es schon geschlagene 15 Minuten gedauert, bis ich im Supermarkt Deos ausmachen konnte, die KEIN Aluminium beinhalten. Wie soll es jetzt werden, wenn ich das gesamte Make Up so raussuche? Abgesehen davon, dass ich  nicht weiß, was da noch für Zeug drin ist, das ungesund, giftig oder einfach nur nicht nachhaltig ist? Das Ganze kombiniert mit dem Studium der Inhaltsstoffe und Brennwerte von Lebensmitteln, dem Gespräch mit der Fleischfachverkäuferin über Herkunft, Aufzucht und Futtergewohnheiten zu jedem Fleischprodukt an der Theke - da wird jeder Wocheneinkauf zum Marathonereignis.

Aber selbst, wenn ich das zukünftig so handhabe: Ich bin kein Chemiker und weiß einfach nicht, was wo drin sei darf und was nicht. Ich möchte sicher sein, dass ich in einem Supermarkt einkaufe und nicht meine Familie und  mich vergifte oder unnötig mit Antibiotika belaste - je nachdem. Am liebsten möchte ich  auch noch mit dem guten Gefühl einkaufen, dass ich niemandem damit schade. Das ist unrealistisch und das ist mir klar. Aber ich möchte auch nicht den Produzenten ausgeliefert sein und keine Ahnung haben, was ich da kaufe.  Je nach Grad der Aufregung werden bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt: Z.B. ohne Tierversuche, ohne Konservierungsstoffe, parfümfrei usw. Aber das Problem ist, dass ich davon ausgehen muss, damit nur einen Bruchteil davon zu erfahren, was ein noch nicht mal übersensibler Konsument wissen will.

Wie kann sich das ändern? Solange die Produktionsfirmen kein eigenständiges Bewusstsein zur Nachhaltigkeit in ihrer Unternehmenskultur verankert haben, kann das wohl nur über "Schmerz" und Reglementierung erfolgen: Nur dann, wenn die Kunden ihre direkte und größte Macht nutzen, nicht nachhaltige Produkte zu produzieren, werden Unternehmen umdenken - weil die Zahlen nicht mehr stimmen. Ob die Konsumenten ihre Macht auch in einem relevanten und wirksamen Maß nutzen, ist fraglich. Außerdem müssen sie dazu überhaupt erst einmal in die Lage versetzt werden, sich eine Meinung bilden zu können - ich jedenfalls fühle mich nicht ausreichend informiert.

Dann aber wäre es die Aufgabe der Politik, entsprechend zu reglementieren. Am meisten würde hier eine Information der Konsumenten durch entsprechende Transparenz hinsichtlich der Produkte bringen, die bislang reines Wunschdenken ist. Inhaltsstoffe und Produktionsbedingungen werden noch allzu gern im Dunkeln gelassen. Und dabei ist es nicht hilfreich, Freihandelsabkommen hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, die das o.g. Problem noch verstärken (das bekannte in Chlor eingelegte Hühnchen, auch ich möchte es nicht vorenhalten) und durch eine doppelte Intransparenz die Situation der Verbraucher noch weiter zu verschlimmern.

Solange der Wunsch nach dem "mündigen" Konsumenten und einer Politik FÜR den Bürger fromm bleiben, werden wir wohl zukünftig viel Zeit für die Einkäufe einplanen müssen...